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Katalogtext von Dr. Juliane Huber zur Ausstellung in der Villa Streccius, Landau

Papierarbeiten von Helga von Jena verlocken den Betrachter zunächst dazu, einzelne ihrer Partien als abstrakt zu begreifen, andere dagegen gegenständlich zu deuten. Diese für viele Zeitgenossen noch immer geradezu weltanschaulich gepflegte Unterscheidung (gegenständlich versus abstrakt) scheint der Künstlerin durchaus belanglos zu sein: Ein Liniengefüge, das an einen Straßenverlauf erinnert, verweigert sich einer solchen Lesart sogleich wieder durch die ansonsten koloristisch dominierte Bildfläche. Auf einer anderen Farbzeichnung glauben wir so etwas wie aneinander gereihte Dachziegel zu erkennen; auch hier wird die (vom kreativen Betrachter) unterstellte Eindeutigkeit konterkariert, indem kräftige Farbfelder ihr eigenes "Spiel" treiben und somit auch die "Dachziegel"- Formation umdeuten in freie Ausdrucksträger.

Diese innerbildliche Aufhebung der Gegensätze hängt zusammen mit Helga von Jenas besonderer Auffassung von Sehen, indem solche Bilder ihr Credo "Sehen, aber nicht erkennen" auf anschauliche Weise umsetzen. Die vor Ort aufgenommenen Eindrücke sollen nämlich keinesfalls in den Dienst (bild)extremer Anschauungen (Inhalt, Erzählung) gestellt werden.
In einem durch lange Malprofession geübten Vorgang erfahren sie vielmehr eine Transformation, welche die Autonomie des Bildganzen zum Ziel hat. Das vollendete Werk leugnet dann seine Herkunft von Gegenstandswahrnehmungen zwar nicht, hat sich aber von ihnen emanzipiert.

Von Objektkünstlern ist bekannt, dass sie mit anarchischer Willkür Fundstücke verschiedenster Herkunft zu komplexen Kunstwerken zusammenfügen, die deren Ursprung vollkommen vergessen machen und dadurch eben auch autonomisieren.

In Analogie ließen sich nun die Eindrücke - Sehsplitter gewissermaßen - , die Helga von Jena v.a. in ihren zeichnerischen Werken verarbeitet, als "visuelle Fundstücke" bezeichnen. Zeichnung versteht sich bei Helga von Jena als ein Kompositum aus Graphit-Lineaturen und malerischen Einsätzen. Hier kann sie spontan oder auch tagebuchhaft das Gesehene sozusagen niederschreiben. Die Farben werden nicht nach einem Naturvorbild eingesetzt, sondern intuitiv oder besser: nach den wahrnehmungsgesetzlichen Bedingungen der Malerei. Und so entstehen Blätter, die in eigenwilliger Weise das malerische mit dem zeichnerischen Element verschmelzen. Informelle Farbgestik wird aufgefangen durch Linien und andere graphische Strukturen; vice versa vermögen diese Linien eine Farbspur etwas Gestalthaftes zu geben. Von dem Schweizer Kunsthistoriker Beat Wyss (1947) stammt eine Definition von Kunst, die im Werk von Helga von Jena anschaulich wird: "Der echten Traumarbeit (...) ist die authentische Kunst zu vergleichen. Ihre Quelle ist das gesellschaftliche Unbewusste; durch sie blickt der Alltag in die Möglichkeiten, die seine Rationalität verschüttet hat."

Dr. Juliane Huber, Mannheim 2002

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Katalogtext von Dr. Margareta Friesen zur Ausstellung im Kunstverein Schwetzingen

Helga von Jena hat für die Ausstellung in den herrschaftlichen Räumen des Schwetzinger Kunstvereins mit Bedacht eine ganz bestimmte Auswahl ihrer Bilder getroffen, die sie in einen Dialog zu der Überfülle an Deckenmalerei und dekorativen Bauelementen gesetzt hat.

Seit den Anfängen ihres künstlerischen Schaffens setzt sich die Malerin auch mit Landschaft auseinander. Dabei dient ihr die Landschaft gleichsam als Memorial, als Erinnerungsbuch, mit dessen Hilfe sie malend und zeichnend erforscht, was beim Anblick einer Landschaft im Gedächtnis bleibt. Sie sucht die Idee zu verkörpern, die sich an die Erinnerung von Landschaft knüpft, ohne mit ihrem Pinsel realistische Ansichten zu entwerfen. Es sind vielmehr Schattenbilder, unscharfen Erinnerungen vergleichbar. Was bleibt, sind Farbgebilde und Landmarken, deren serielle Anordnung Energien schafft, die mich in die Bildwelt der Malerin hineinziehen und mir gleichsam einen Anhaltspunkt gewähren, von dem aus ich mich an eine bestimmte Landschaft erinnern kann.

Helga von Jena geht es um die konsequente Reduktion aller bildnerischen Mittel. Das Weiß und das Schwarz haben etwas Unendliches, eine Leere. Mit dieser Leere schafft es die Künstlerin, mich zu verblüffen. Durch wenige rhythmisch gesetzte Farbnoten macht sie das Imaginäre einer Landschaftserinnerung mit einem Mal real. Beim Betrachten dieser Leinwände bleibt mir immer bewusst, wie sehr es sich um den rein physischen Gehalt der Farbe und den rein physischen Akt des Malens handelt. Die Malerin umreißt die eine oder andere Form, indem sie Farbe und Fläche, sparsam gesetzte Striche und Zeichen aufträgt, bis das Bild eine Landschaftsillusion in sich trägt. Sie reflektiert die Tragfähigkeit der Gedächtnis- und Vorstellungskraft und sucht das übrig Gebliebene dieser Kräfte aufzuspüren.

Sie nimmt die Möglichkeit wahr, nicht klar zu definieren, damit das, was sichtbar gemacht werden soll, irgendwo doch unsichtbar bleibt. Das Epische scheint sich in Luft aufzulösen, ist aber noch zu spüren. So vollzieht die Künstlerin eine gewagte Gratwanderung zwischen Nuancierung und Unbestimmtheit, deren Listen mein Auge voll beschäftigen. Scheinbar umrissene Formen werden von anderen geschluckt, so dass sich kaum noch bestimmen lässt, wo die eine anfängt und die andere aufhört, wo die Grenzen zum Geheimnis werden und Formen ein ganz eigenes Leben entwickeln. Alles erscheint leicht verständlich, ist dennoch nicht selbstverständlich, weder Licht noch Schatten, weder Form noch Raum. Im immer weiteren Fortschreiten des Abstrahierens ist Helga von Jenas Malerei deswegen so spannend, weil sich in den Formen Anklänge an andere Formen und Bezüge zu wieder anderen finden. Schließlich läuft alles darauf hinaus, die bildnerischen Zeichen so sparsam zu setzen, bis nur noch Horizontlinien übrig bleiben. Wenn ich die Bildserien anschaue, klingen sie wie eine Begleitmelodie zu dem, was ich als Eindruck einer Landschaft zu kennen und an das ich mich zu erinnern glaube. So gelingt von Jena durch künstlerische Raffinesse und subtile Anspielungen eine Abstraktion, die einen Anschein von Landschaft hervorruft. Vor- und Hintergründe verschwimmen, Formen tauchen auf und fallen ins Endlose. Die Bildkunst Helga von Jenas liefert die Voraussetzung für den Akt der Erinnerung, den ich als Betrachter vollziehen muss. Das, was ich sehe, ist bereits Erinnertes. Alles, was ich durch meine Augen in mein Gehirn lasse, wird abgeändert, verschiebt sich, enthält einen Ausdruck, eine Stimme, eine Perspektive, einen Aspekt, womöglich einen Funken Wahrheit, der sich beim Betrachten der Bildfolgen entzündet und abhängig von meiner Erfahrung bleibt.

Dr. Margareta Friesen, Darmstadt 2001

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